Dies, geliebtes, einziges Tagebuch, ist ein Hilfeschrei aus der Zukunft. Mithilfe einer halbkompostierten Bananenschale, einer leeren Kaugummischachtel (inkl. einem zerkautem Kaugummi) und einigen Brusthaaren (aua!) ist es mir in vier Tagen möglich eine kleine Zeitmaschine zu basteln, um diese Nachricht an dich in die Vergangenheit zu senden. Geliebtes Tagebuch, bitte lass mich morgen nicht auf den WINF Kongress nach Bamberg fahren! Halte mich auf! Rette mich!
Und so wird geschehen: In einem Anfall von geistiger Abwesenheit habe ich zugestimmt, mit dem Fürsten der Finsternis (ein Abkömmling von Satan, der ja unter anderem ein Studiengangskollege von mir ist), in dessen Fahrzeug die lange Reise nach Bamberg anzutreten. Erst später erkenne ich, welchen Fehler ich begangen habe, aber da ist es schon zu spät, denn Kartusch schließt schon unter bösartigem Kichern die Schiebetüren des eiskalten Viehwaggons, in den ich mich stellen musste, nachdem ich mein Gepäck „zur sicheren Verwahrung“ abgegeben habe. Ich höre, wie er draußen ein schweres Vorhängeschloss zusperrt. Im Waggon treffe ich ein paar (hundert) Leidensgenossen, denen auch ziemlich kalt ist. Wie ich erfahren muss, ist der Speisewaggon leider wegen Umbau gesperrt, das heißt Schmalhans ist Küchenmeister bei dieser Reise. Langsam wird es uns aber auch suspekt, da so ziemlich jeder meiner Mitreisenden ein anderes Ziel angibt. Einige fahren nach Gran Canaria, eine Familie auf Mauritius, und ein nettes Seniorenehepaar hat eine reizende kleine Pension in Auschwitz reserviert.
Der Zug setzt sich langsam rumpelnd in Bewegung. Leider wird aus der versprochenen Vier-Stunden-Reise nach Bamberg ein Trip, der mehrere Tage dauert (wahrscheinlich war ein Umweg durch die ständigen Schneefälle nötig. Übrigens scheint auch die Heizung nicht zu funktionieren). Und offensichtlich ist unser Abteil zu allem Übel auch noch überbucht, da sich immer mehr Mitreisende zu uns quetschen müssen. Der Speisewagen ist noch immer im Umbau begriffen, aber der freundliche Reiseleiter veranstaltet einige lustige Wasserspiele, indem er uns mit einem Schlauch nass spritzt, was zwar sehr nett ist, aber im Winter doch etwas kalt. Die Reinlichkeit in unserem Fahrzeug lässt leider auch etwas zu wünschen übrig, aber bei solchen Billigreisen soll so etwas schon vorkommen.
Endlich erreichen wir unser Reiseziel – anscheinend wurden wir alle umgebucht auf ein Abenteuercamp. Wir werden auch gleich von unseren Animateuren und Entertainern übernommen, die uns freundlich aber bestimmt zu verschiedenen Aktivitäten einteilen, sodass keine Langeweile aufkommen kann. Leider müssen die versprochenen Drei-Sterne-Quartiere nach dem einheimischen Standard gemessen worden sein, da sie nicht dem österreichischen Usus entsprechen, den ich gewohnt bin …
ps: Und so schlimm und menschenverachtend es auch war damals (und so etwas darf nie wieder passieren), man darf auch ein bisschen Humor zeigen. Gerade über Sachen, die man nicht vergessen darf.