Dass die Menschen auf einen Abgrund zusteuern ist jedem bekannt und die Vorstellung lockt keinen Hund mehr hinterm Ofen hervor. Denn immerhin wird man täglich mit mehr oder weniger ernst zu nehmenden Hiobsbotschaften bombardiert: Klimaveränderung, Naturkatastrophen, Pandemien und Apokalypsen, um nur ein paar Gründe für das baldige Aussterben unserer Spezies zu nennen.
Ich seh das nicht so ernst. An die Apokalypse (ob mit oder ohne jüngstem Gericht) glaube ich nicht, Pandemien lassen sich mit dem nötigen Willen beherrschen und Naturkatastrophen sind lokal begrenzt und falls doch mal der langerwartete Komet auf die Erde zusteuert, gäbe es noch eine ganze Galaxie voller anderer bewohnbarer Planeten. Alles für einzelne Individuen eine Gefahr, aber nicht für die Spezies.
Aber etwas anderes wird unser Untergang sein: Unser gesellschaftlicher Fortschritt. Umso weiter wir uns als soziale Spezies entwickeln, desto mehr wird das ausgehebelt, was uns überhaupt erst soweit gebracht hat, nämlich die Evolution.
Eine entwickelte Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, schwache Mitglieder zu unterstützen und ihnen zu helfen. Ganz klar, so soll es sein. Einem starken Genpool ist es dies aber alles andere als zuträglich. Man nehme nur mich als Beispiel: Mit meiner enormen Sehschwäche hätte ich im Mittelalter wohl kaum die Pubertät erlebt – meine schlechten Gene wären also nicht besonders weit gekommen. In unserer entwickelten Gesellschaft aber lebe und gedeihe ich prächtig und kann mich, Gott behüte, fortpflanzen und mein fehlerbehaftetes Erbmaterial weiter geben.
Nur damit der geneigte Leser und ich uns richtig verstehen und ich nicht gleich in die Herrenrasse-Ecke gestellt werde (deswegen habe ich sicherheitshalber auch gleich mich selbst als Beispiel genommen): Das ist gut so, schwache Mitglieder unserer Gesellschaft gehören unterstützt und gefördert, gar keine Frage. Sieht man es aber eiskalt und langfristig, wird die Spezies dadurch geschwächt. Und es lässt sich nicht einmal auf genetisch Schwächere, auf Behinderte und chronisch Kranke begrenzen. Mittlerweile sind wir sogar so weit, dass wir ursprünglich gutes Erbgut absichtlich verschlechtern, man denke nur etwa an die von unserer Gesellschaft erzeugte, grassierende Seuche Fettleibigkeit.
Das Gegenargument, das dem geneigten Leser sofort in den Sinn kommt, ist aber natürlich absolut valide: Hätte es eine eiskalte, gefühllose Spezies, deren überlegene starken Mitglieder nur auf den eigenen Vorteil bedacht sein, überhaupt verdient zu existieren?
Es geht aber nicht einmal nur um rein körperliche Stärke oder Schwäche, die kann nämlich durch technisch-medizinischen Fortschritt immer besser ausgeglichen werden und wird laufend von geringerer Bedeutung für die Spezies. Evolutionär gesehen ist es vermutlich noch viel nachteiliger, dass die Gesellschaft unvernünftige, irrationale, dumme (in Ermangelung eines besseren Wortes) Handlungen fördert. Damit meine ich nicht nur die aktuelle Verherrlichung von Unfähigkeit im (nicht nur Privat-)Fernsehen (das hört sich hoffentlich bald wieder auf), sondern auch weniger offensichtliche Bereiche.
Ein Beispiel: Wer zu blöd ist, freiwillig beim Motorradfahren einen Helm zu tragen, wird heutzutage per Gesetz dazu gezwungen. Früher wurden seine unvorsichtigen, dummen Gene am nächsten Baum verteilt, heute wird er wider Willen geschützt und pflanzt sich fort. Wer sich als Urmensch mit einem Säbelzahntiger angelegt hat, wurde schnell per Evolution ins Abseits gestellt. Heute würde ihn die Gesellschaft davon abhalten, ob er es versteht oder nicht.
Die Menschheit steht aus biologischer Sicht an ihrem Höhepunkt oder hat den Zenit bereits überschritten. Ich bin überzeugt davon, dass die Spezies sowohl körperlich als auch geistig schwächer wird, indem wir und unsere Gesellschaft die Evolution aushebeln. Und ich bin mir nicht sicher, ob Technik und Fortschritt in der Lage sind, diese negativen Folgen auszugleichen. Derzeit sieht es irgendwie nicht danach aus.