Gutes und böses Nackt, oder: Ein Plädoyer für Kleidung

Ungefähr 98 Prozent meiner Lebensweisheiten habe ich von Fernsehserien gelernt (der Rest aus dem Bravo). Diese 98 Prozent teilen sich wiederum auf in ca. 20 Prozent Coupling (beispielsweise "Lesbian Spank Inferno"), 45 Prozent Seinfeld (zum Beispiel "The Contest") und verschiedene andere (so hab ich etwa von Battlestar Galactica gelernt, dass man Robotern nicht vertrauen sollte und dass jeder Freund eine kalt kalkulierende Maschine sein könnte). Aus Seinfeld stammt so auch die sehr wichtige Erkenntnis, dass es gutes (das war klar), aber auch böses Nackt* gibt:

Ohne viel nachzudenken würde man ja sofort behaupten, dass Nackt mit gut gleichzusetzen ist und dass nackter automatisch besser ist. Eine nackte Frau** ist in den meisten Fällen ja auch was ziemlich Tolles, man denke nur an eine die sich im Bett räkelt, an eine, die sich unter einem wilden Wasserfall durch die Haare streicht oder an eine, die sich von einer ebenfalls unbekleideten intimen "Freundin" zärtlich die ganze Nacht mit exotischen Ölen massieren lässt. Zweifellos kann man hier sagen: Nackt ist supergut, gib mir mehr davon – doch von diesen Optimalfällen auf die Gesamtheit an Nackt zu schließen, ist grundfalsch und voreilig. Dabei rede ich noch nicht einmal von abstoßenden, verformten, hässlichen Zeitgenossen, deren Visage man hinter einem Sackerl und deren Körper man in einer Kiste versteckt – dass Nacktheit hier alles andere als gut ist und wir dankbar für jeden Fetzen Kleidung sein müssen, ist dem geneigten Leser und der bezaubernden Leserin bestimmt klar. Aber selbst bei den bestgeformtesten, schönsten, begehrenswertesten Menschen gibt es böses Nackt.

So möchte ich keine Frau nackt sehen, während sie sich abplagt, um einen Korken aus einer Flasche Wein zu ziehen oder ein Marmeladeglas zu öffnen. Noch weniger eine, die von einem minutenlangen Hustenanfall geschüttelt wird. Und höchstens seltsame Charaktere finden jemandes Nackt sehenswert, dem oder der gerade ein Bein amputiert oder eine Lunge entfernt wird.

Kleider haben also eine sehr wichtige Funktion – überhaupt wäre Nackt lange nicht so interessant, wenn wir es dauernd vor uns hätten. Ein paar Tage wäre es wohl lustig, durch die Nacktfußgängerzone zu streifen, aber das Interesse würde bald verloren gehen. Man denke da nur an bestimmte afrikanische Stämme, wo sich jedermann tagein, tagaus splitterfasernackt präsentiert. Neben der katastrophalen Wirkung auf die weibliche Brustpartie verliert man durch Nacktüberstimulation ziemlich schnell sämtliche Illusionen (und Hoffnungen) und durch die fehlende Kleidung interessante und aufregende Teile des Vorspiels. Nackt ist sehr wichtig und hat zweifellos seinen Platz, aber ist halt nicht überall automatisch gut und zu bevorzugen. Und ist eine sexy angezogene Frau nicht viel erotischer und anregender als eine "nur" nackte?

* Nackt ist nicht nur ein Verb, sondern meiner Meinung nach durchaus auch als Nomen zu gebrauchen.
** Über die Unterschiede zwischen nackten Männern und nackten Frauen werde ich an dieser Stelle nicht schreiben (sonst höre ich wieder Klagen, dass meine Weblogeinträge viel zu lang sind) – vielleicht werde ich aber ein andermal darüber referi
eren.

6 Gedanken zu „Gutes und böses Nackt, oder: Ein Plädoyer für Kleidung“

  1. klar ist nackt ein Verb: Ich nacke, du nackst, er/sie/es nackt, wir nacken, ihr nackt, sie nacken. Beispiel gefällig? Das kleine Eichhörnchen nackt an der Nuss.

    Weiß auch nicht, wie ich da auf Verb gekommen bin – wird nicht wieder vorkommen.

  2. …"Und ist eine sexy angezogene Frau nicht viel erotischer und anregender als eine "nur" nackte?"

    Den Eintrag mit diesem Satz zu beenden hört sich für mich sehr extrem nach Sex and the City an. Schon die Formulierung – da seh ich die Buchstaben richtig über den Laptop wandern! 🙂