Mit diesem absichtlich provozierenden Titel will ich Quotenhure natürlich nur schockieren und Klicks produzieren: Selbstredend meine ich nicht diesen charmanten Menschenschlag aus dem relativ fernen Osten, sondern das gleichnamige Herrenmagazin.
Meiner Zeit am Rad (selten auch am Laufband) verbringe ich nicht nur damit, meinen Körper noch luxuriöser zu gestalten, sondern auch damit mich in Bezug auf Gossip und Lifestyle aktuell zu halten – den vielfältigen bereitgelegten Zeitschriften sei dank. So hat letztens auch ein Wiener seinen Weg in meine unglaublich muskulösen Hände gefunden und auf dem Cover mit Top-Artikeln wie "Traumberuf Samenspender" oder "Tagebuch einer Erotomanin" gelockt.
Zugegeben, die Reportage über die Welser Rekruten die sich durch Samenspende ein Zubrot verdienen, war inhaltlich noch ganz okay und auch ein bisschen lustig. Als ich dann jedoch äußerst interessiert zum Tagebuch der Erotomanin weiter blätterte, kam schön langsam Ekel auf (nicht aber wegen der halbnackten Dame, die fotografisch abgebildet war). Kein vernünftiger Mann kann dieses inhaltsleere Gelaber (gehen wir mal davon aus, dass dieser Artikel wirklich authentisch ist) einer Sexsüchtigen mit zwei Monaten ohne Sex lesen wollen. Wie sie von ihrem yuppiehaften, klischeeverzierten Leben erzählt, mit so netten Zeilen wie "Tag 35: Die Gratislotion im Fitnessstudio schaut aus wie Sperma" ist sinnloser und unendlich tiefer als Sex and the City (dort lernt man in ganz seltenen Fällen sogar noch was).
Nun schon für den nächsten Weblogeintrag recherchierend lese ich weiter und stoße auf die Geschichte einer anderen freizügigen Dame, die im Chat einen Pornoproduzenten in Spanien kennen lernt und ihn prompt aus Interesse an seiner Arbeit besucht (und sich natürlich ständig durch vögeln lässt). In mir kommt die Erinnerung an Playboy-Leserbriefe hoch. Entweder ist Wien (die Stadt jetzt, nicht das Magazin, weil von dort kommen die Damen die das schreiben) wirklich in Sachen Sex und jeder mit jedem (siehe Erotomanin die nicht mit Details geizt) um so viel besser als Linz oder es sitzen ein paar sehr phantasiebegabte alte notgeile Herren in dreckigen Büros und ziehen sich diese schon fast peinlichen Geschichten aus den Fingern.
Plötzlich fällt mir auch der seltsame Schreibstil auf. Statt vernünftiger Sätze, in denen ab und an auch der eine oder andere Beistrich vorkommt (es müssen ja auch gar nicht so viele Beistriche und Klammern wie bei mir sein), pflegt man kurze Sätze, die oft nur aus ein paar Wörtern bestehen und wo ganz offensichtlich der nächste Satz noch mehr schockieren muss als der vorige. Guter Journalismus ist was anderes. Wenn ich nicht noch fünfzehn Minuten zu radeln hätte, würde ich angeekelt aufstehen.
Durch die Anrufe, die ich ab und an bekomme und die mir ein Wiener-Abonnement andrehen wollen, vermute ich mal, dass ich zur Kernzielgruppe dieses Drecksmagazins gehöre (überhaupt ein angenehmes Gefühl, das man innerhalb weniger Jahre von einem mittellosen, für die Wirtschaft relativ uninteressanten Kindchen plötzlich ins Fadenkreuz vieler Werbekampagnen, nicht nur der des Wieners, gerückt ist). Weiters denke ich, dass kein Mann der nicht komplett notgeil ist und es ganz dringend braucht, ernsthaft interessiert diese Artikel lesen kann – der Informationsgehalt geht gegen null (abgesehen davon, dass ich einige Kleinigkeiten übers Samenspenden gelernt habe: 70 Euro pro Schuss!) und unterhalten wird man höchstens dadurch, dass man ständig den Kopf über diese Redaktion schütteln muss. Da bleibe ich doch lieber bei meinem bisherigen Fitnessstudio-Lesestoff "Seitenblicke Magazin", "Bunte" oder "Gala". Sogar die "News" ist noch besser.
ps: Wiener?! Pah! Ich will das Magazin "Linzer"!