Auf zum revolutionären 1. Mai!

Heute auf der Linzer Landstraße habe ich ein Flugblatt des Revolutionär-Kommunistischen Jugendverbandes in die Finger bekommen. Zur Information und Erheiterung des geneigten Lesers habe ich jenes Schriftstück eingescannt, die Webseite des RKJV findet man unter http://www.rkjv.tk – offenbar ist man von der eigenen Idee so überzeugt, dass man den Kapitalisten nicht einmal ein paar Dollar für eine richtige Domain oder eine ansehnlichere Aufmachung in den Rachen werfen will. Wieso aber überhaupt auf ebenjener Seite Werbung betrieben wird, bedarf dringend Aufdeckung!

Das Flugblatt war etwas kleiner als A4 und bis auf das letzte Plätzchen vollgeschrieben – sicher sehr zielführend, denn der durchschnittliche Passant ist ja dafür bekannt, Flugzettel detailliert durchzulesen und für eine eventuelle ausführliche abendliche Analyse mit nach Hause zu nehmen. Ich jedenfalls hab es gemacht, und mich köstlich amüsiert.

In den Texten wimmelt es nur so von der erfrischenden, kurzweiligen Rhetorik des 19. Jahrhunderts. So ist in ellenlangen Sätzen die Rede von den “Bonzen der ÖGB-Führung”, vom “Profitwahn der Kapitalisten” und von “Schoßhunden der imperialistischen Unterdrücker”. Es wird zum Kampf gegen den “imperialistischen österreichischen Staat” aufgerufen und der “revolutionäre Kommunismus” herbeigesehnt

Wobei jedoch mehrmals darauf hingewiesen wird, dass jener Kommunismus nicht mit der “Sowjetunion der 50er-Jahre” verglichen werden darf – vermutlich eher mit dem bekanntermaßen höchst erfolgreichen Modell der Sowjetunion der 80er-Jahre?

Ich habe, wie schon mal kurz erwähnt, diese Tage eine aktuelle Abhandlung bzw. Erklärung zu Marx’ Das Kapital gelesen (das 4000-seitige-Original pack’ ich nicht). Viele vom Marx  angeführten Theorien, die in der, nun ja, Theorie hervorragend klingen, wurden mittlerweile ja schon lange offiziell wiederlegt. Was so wunderbar logisch klingt, etwa die Ausbeutung der Arbeiter durch das Kapital, ist, meine lieben RKJV-ler, einfach nicht auf die Wirklichkeit zu übertragen und schlichtweg falsch – auch wenn es auf dem geduldigen Papier des 19. Jahrhunderts so ganz anders aussieht.

Auch die eine oder andere Schlussfolgerung halte ich für etwas bedenklich. So etwa wird dem “vorbildlichen Kampf in Griechenland”, also den Aufruhren Ende 2008, ein politischer, ja kommunistischer Hintergrund angedichtet und folglich auch für Österreich gefordert.

Mein rotes Tuch ist aber mal wieder der Traum von der “klassenlosen Gesellschaft”. Ich verstehe bei aller Anstrengung einfach nicht, wie jemand so etwas überhaupt für machbar hält (sie sich zu wünschen, ist eine andere, noch viel verrücktere Sache). Das einzige, was den Menschen neben ihrem unangenehmen Geschlechtstrieb antreibt, ist der Wunsch, besser als andere zu sein. In welcher Form auch immer – keineswegs auf Besitz oder sozialen Status beschränkt. Ohne den Antrieb, etwas für sich zu schaffen und im Leben weiterzubringen, passiert einfach nichts. Zumindest nicht ohne Zwang von oben – und ein „oben“ gibt es in der klassenlosen Gesellschaft natürlich nicht (höchstens ein „daneben“).

Und auch aus rein praktischen Gründen kann es keine Gesellschaft geben, wo jeder, bezüglich Status und Besitz, exakt gleich ist. Es muss immer Ärzte geben, die nach einem Jahrzent der Ausbildung ihn ihren wohltemperierten Praxen sitzen, während der Schulabbrecher schwitzend und neidisch durchs Fenster schaut und weiter die Hecke stutzt. Die aufwändige Ausbildung und erheblich höhere gesellschaftliche Verantwortung eines Arztes muss natürlich entsprechend kompensiert werden – und der Traum der klassenlosen Gesellschaft platzt. Und ich rede noch gar nicht davon, dass es natürlich auch Bürgermeister, Gewerkschaftschefs oder Direktoren geben muss, wo auch höhere Verantwortung höheren Status bedeutet. Klingt doch logisch, geschätzter RKJV, oder?

Wer etwas Muße hat, soll sich das köstliche Schriftstück durchlesen. Übrigens ist es nicht so weit her mit dem sozialistischen Intellekt, denn der eine oder andere Fehler hat sich trotz aller, seit mehr als einem Jahrhundert vorgekauten, Phrasen schon eingeschlichen – eventuell ein Hinweis auf Solidarität mit Analphabeten, ganz im Sinne der geforderten Klassenlosigkeit?

Wenn ich vor den städtischen Feierlichkeiten zum 1. Mai nicht grundsätzlich aufs Land fliehen würde, würde ich an der angekündigten Demo gerne teilnehmen, mir unsere vielsversprechende, kommunistisch-sozialistische Jugend mit eigenen Augen ansehen und eventuell auch noch fragen, ob sie das letzte Jahrhundert verschlafen haben und auch sonst noch alle Tassen im gemeinschaftlichen Schränkchen haben?

16 Gedanken zu „Auf zum revolutionären 1. Mai!“

  1. Lächerlich. Das sind die linken Zecken dies net schaffen ihr Bier in die Mistkübel zu schmeißen, wenns wieder ein Saufgelage auf der Donaulände gab. Abschaum.

  2. was geht bei dir da drüben feiermäßig ab, dass du da die flucht ergreifen musst? die letzten beiden jahre hab ich vom 1. mai nichts gemerkt (ausser dem teil mit nicht arbeiten)…

  3. Das ganze ist sehr amüsant und unterhaltend.
    Ich frage mich auch, welche Emanzen sich hinter dieser Bewegung verstecken – man beachte nur die vielen Binnen-I und die eigene Kategorie „FRAUEN“ auf ihrer HP.
    Aber wirklich nieder gebrochen vor lachen bin ich, als ich die HP anschaute und die Google-Werbungen darauf sah: ‚Flüge nach Griechenland‘ und die Bannerwerbung: ‚EUROLottery‘!!!
    Es lebe der Kommunismus!! …. ;-))

  4. @ gotti: Mit Grauen erinnere ich an jene Zeit zurück, an der ich noch an der Landstraße gewohnt hab. Die alltäglichen Menschentrauben sind schon ein Krampf, aber die Maiaufmärsche waren Krämpfe.

    Da geh ich sicherheitshalber auf soviel Abstand wie möglich. Im schwarzen Mühlviertel gibt es höchstens Maibaumaufstellereien, aber glücklicherweise keine Umzüge.

  5. Mühlviertel ftw – da gibts einen schönen Frühschoppen, Maibaumaufstellen (bratwürstl! hura) und a schene musi und die bösen Kommunisten existieren nicht.

    toller artikel 🙂

  6. ich habe ja keinen plan aus welchem hintergrund du dich mit solchen themen beschäfftigst, aber ich finde die problemstellung welcher der RKJV aufstellt durchaus mehr gerechtfertigt, als sich über den unterschied zwischen einem putzmittel und marx, oder der wirklich enorm wichtigen frage über die unterschiede der verschiedensten scheißhäusl das hirn zu zerbrechen!

    aber na gut, wahrscheinlich hast du irgendeinen netten beamtenjob und daher genug zeit, dir über solch hirnverbrennende fragen den kopf zu zerbrechen, und bist aus dieser sicht natürlich mit dem herrschenden system durchaus zu frieden!

    gut dass es noch junge leute wie die RKJV´ler gibt, welche sich für politik (egal welche) interessieren. und an „jo“ muss man sagen, dass es eben so ist, dass die RKJV´ler nichts mit alkohol oder drogen am hut haben ´(dass erfährt man auch, wenn man sich mit dem über das was man schreibt mehr auseinander setzt, als nur ein flugblatt zu lesen), wie es von euch konservativen pennern sofort jeden an den kopfgeschmissen wird, der nicht in euer ach so tolles system passt.

    ich hoffe eure kinder werden so wie die rkjv´ler. und mit eurer konservativen erziehung wird das auch sicherlich passieren!

  7. wow Saxx, du hast es wida mal geschafft – fritz klingt ja richtig grantig!
    und dich als konservativ zu bezeichnen 😀
    das ist ja wohl der witz des jahres lol
    (fand auch das mit dem beamtenjob sehr unterhaltsam…)

  8. Ich auch nicht.

    Ich mag auch keine Leute, die ihre unzusammenhängenden Gedanken ohne Punkt und Strich runter schreiben. Selbst wenn sie da über vernünftige Sachen würden, könnte man sie nicht ernst nehmen. *

    Ich mag auch keine Leute, die mich als Penner bezeichnen, ohne mich zu kennen. Oder mich, wie ein unzivilisierter Affe, unaufgefordert duzen und mich im gleichen Atemzug unflätig beschimpfen.

    Würden Sie, Arschloch-Fritz, sich etwas mehr mit dem, das ich schreibe, auseinandersetzen, statt nur die ersten drei Beiträge auf der Startseite zu lesen, dann wüssten Sie, dass ich mich sehr für Politik interessiere, mit dem System äußerst unzufrieden bin und die „herrschende Klasse“ verabscheue.

    Was nichts daran ändert, dass die kommunistische eine der größten Schnapsideen der letzten 200 Jahre ist, absolut undurchführbar und nur von theorieverliebten Träumern unterstützt und gefördert.

    * Nur um es mal klar zu stellen: Gegen den einen oder anderen Tipp- oder Beistrichfehler ist ganz und gar nichts einzuwenden, aber ein offensichtliches Ignorieren sämtlicher Regeln ist intolerabel.

  9. Fast hätte ich mich in meinem Zustand den rkjv-lern angeschlossen (diese Homepage war ein missing link in meinem Leben, soviel steht fest!)
    Aber nachdem ich jetzt gehört habe, dass sie nix mitn Alkohol nix am Hut haben, da hab ich dann den Glauben verloren…

    Vorm 1.Mai geht ma beim Maibaumaufstellen saufen und am 1. Mai schlaft ma sein Rausch aus…

    Die Donaukönigin geht jetzt ihren Rausch ausschlafen, morgen ist ja zum Glück der 1. Mai!

  10. naja sehr geehrter herr saxx!
    was würden den sie für eine alternative zu dem herrschenden system anbieten?
    scheint ja ganz so als hätten sie sich wirklich damit beschäftigt!
    wenn sie die herrschende klasse so verabscheuen, warum haben sie dann solch ein problem mit den vom rkjv getätigten aussagen?
    „““In den Texten wimmelt es nur so von der erfrischenden, kurzweiligen Rhetorik des 19. Jahrhunderts. So ist in ellenlangen Sätzen die Rede von den “Bonzen der ÖGB-Führung”, vom “Profitwahn der Kapitalisten” und von “Schoßhunden der imperialistischen Unterdrücker”. Es wird zum Kampf gegen den “imperialistischen österreichischen Staat” aufgerufen und der “revolutionäre Kommunismus” herbeigesehnt“““

    und zu ihrer grammatikfrage kann ich nur sagen, dass ich darin nun wirklich kein problem sehe, und mir diese problemstellung von großteils möchtegern-intelektuellen wirklich schon auf den sack geht!

    außerdem habe ich nicht sie als penner beschimpft, sondern jenen, der alle linken in den selben topf wirf, und ihnen alkoholismus und drogensucht unterstellt!

  11. Damit bin dann wohl ich gemeint. War nicht so einwandfrei zu erkennen, da du dich in deinem ersten Statement ja gegen „euch konservativen Pennern“ gewehrt hast und nicht gegen „einen konservativen Penner“. Singular, Plural…
    Nebenbei bemerkt habe ich von Drogen nichts geschrieben, wenn du diesen Vorwurf aber so hartnäckig beanspruchst, kannst du ihn gerne haben. Weiters war nicht von Alkoholismus die Rede, sondern vom Sauberhalten der Donaulände.

    Ich bedauerte schon fast mir am 1. Mai nicht die Zeit genommen zu habe, eure knuffige Parade in Augenschein zu nehmen. Nachdem ich jedoch etwas auf eurer „Homepage“ gestöbert habe bin ich nun aber doch zu dem Schluss gekommen, dass ich nichts versäumt habe, denn euch kann man alle in einen Topf werfen.
    Ihr seid für etwas, von dem ihr gar nicht wisst was es ist. Wer auf seiner Homepage zum Kampf gegen Rechts aufruft und im selben Atemzug mit einem Transparent auftritt, welches Mao Zedong verherrlicht, den größten Massenmörder aller Zeiten, der ist nicht besser, höchstens schlechter, als die Rechten die er bekämpft, kein Wunder, dass ihr eure Gesichter im Netz überpinselt – stolz kann man darauf nämlich wirklich nicht sein.
    Es grenzt schon fast an Blasphemie den 1. Mai für linksfaschistische Kundgebungen zu missbrauchen. Ihr spukt damit jedem Arbeiter ins Gesicht; diejenigen, die eure Sozialhilfe und Arbeitslosengelder bezahlen.

  12. Gut gesagt, Jo. Dem kann ich nichts hinzufügen.

    Außer vielleicht 😉 : Unser derzeitiges System ist weit davon entfernt, gut zu sein. Deswegen einer so saudummen Idee wie dem Kommunismus nachzulaufen, zeigt höchstens auf, dass man selber absolut keine Ahnung hat. Da sollte man lieber daheim im Kämmerlein sitzen bleiben und sich ja nicht nach draußen trauen. Am 1. Mai schon gar nicht.

    Es mag schon sein, dass ich übertrieben viel Wert auf Grammatik und Ortografie lege (wobei ich bei Ihnen übrigens auf letzteres, nicht auf ersteres gepocht habe). Es zeugt aber auch von Wertschätzung dem Gesprächspartner gegenüber, wenn man seine Gedanken geordnet und schön lesbar zusammenfasst, und nicht wie ein Nilpferd, dem der Sabber auf die Tastatur tropft und das so hin und wieder zufällig ein gerades Wort herausbringt.

  13. „“Es grenzt schon fast an Blasphemie den 1. Mai für linksfaschistische Kundgebungen zu missbrauchen. Ihr spukt damit jedem Arbeiter ins Gesicht; diejenigen, die eure Sozialhilfe und Arbeitslosengelder bezahlen.““ by „Jo“

    und schon wieder diese netten vorurteile!
    nur weil man für eine gerechtere welt kämpft, heißt das nicht, dass man selbst keine arbeit hat, und diesem ach so tollem system auf der tasche liegt!