Ich versteh was nicht. Selbst auf die Gefahr hin, dass die Sache offensichtlich ist und ich mich komplett als geistiges Nackerbatzl zu erkennen gebe: Ich frage jetzt einfach mal. Vielleicht kann mir ein geneigter Leser mit mehr Hintergrund in der Ökonomie aufklärenderweise dienlich sein.
Gestern brachen die Kurse an der Börse in Schanghai um 8,5 Prozent ein. Anscheinend brodelt es an den chinesischen Börsen schon seit einigen Wochen. Ob dort drüben jetzt Kurse umfallen, oder Fahrräder, oder Reissäcke ist mir allerdings im Prinzip ziemlich einerlei.
Ich verstehe aber nicht, warum solche Kursschwankungen an den Börsen immer wieder in den Medien zu aufgeputschten Aufschreien führen. Denn, nur weil an der (gerne mal weltfremden) Börse irgendwelche Spompanadln passieren, ändert das ja mal nichts an den hinter den Aktien stehenden Unternehmen: Die betroffenen chinesischen Firmen haben über Nacht ja nicht 8,5 Prozent ihrer Kunden verloren. Noch sind auf magische Weise 8,5 Prozent ihrer Waren verschwunden. Oder 8,5 Prozent ihrer Produktivität.
Klar, irgendwelche Aktienspekulanten verloren Geld, genau so wie sie es vermutlich die Monate zuvor gewannen. Aber niemand, der ernsthaft langfristig am Unternehmen interessiert ist und deswegen dessen Aktien hält, dürfte auf lange Sicht von diesem (kurzfristigen?) Kurseinbruch betroffen sein. Die Substanz eines Unternehmens, dessen realer Wert, wird ja nicht vom Aktienkurs bestimmt. Eigentlich sollte es ja eher umgekehrt sein.
Wieso machen die Medien dann stets einen solchen Bahö, wenn so etwas passiert? Wieso sollte mich das überhaupt interessieren?
So wie ich das verstehe, werden diese groben Kurssprünge entweder durch krasse Spekulationen ausgelöst. Oder sie stellen eine dringend notwendige Korrektur eines falsch bewerteten Unternehmens dar und über kurz oder lang sollte der Kurs wieder dessen tatsächlichen Wert wieder spiegeln. Was ja auch durchaus erwünscht sein dürfte (außer vermutlich von Spekulanten).
Oder? Was übersehe ich, was verstehe ich hier nicht? Kann es sein, dass wir diese ominösen Märkte schon so sehr fürchten, dass jede ruckartige Bewegung zu kollektiven Angstanfällen führt? Oder gibt es tatsächlich eine reale Auswirkung für eine größere Gruppe an Menschen (außer mögliche Verluste von Lebensversicherungen oder ähnlichen, das ist mir schon klar)?
Ich bitte um Erklärung. Vielen Dank.
Jetzt wo du das so schreibst, stell ich mir die gleichen (und aus unserer Sicht berechtigten) Frage …
Chinesen nehmen Kredite auf um zu spekulieren und treiben damit die Aktienkurse in die Höhe. Lebensversicherungen, Fonds, etc. sind in China investiert. Kurse brechen drastisch ein. Angst vor Kollaps –> Kunden von Lebensversicherungen, Fonds, etc. sind weltweit von den Kurseinbrüchen betroffen und werden von den Medien informiert, dass vielleicht auf längere Sicht mit großen Verlusten zu rechnen ist. Aber unterm Strich hast du dir die Frage eh selbst erklärt.
Naja, was man auch nicht vergessen sollte, sind die Auswirkungen durch den automatisierten Handel. In diesem Fall v.a. Stop-Loss-Deals. Irgendwann hast eine nicht mehr aufzuhaltende Kettenreaktion. Viele Leute und Unternehmen verlieren dabei dann reales Geld. Daher der Aufschrei. Existenzen gehen zugrunde.
Vor zehn Jahren habe ich geglaubt, dass Psychologen die Börse besser verstehen sollten als Banker, weil es ja nur ein Wettgeschäft mit Erwartungen, Erfolgen und Enttäuschungen ist. Seit der automatisierte Handel so breit eingesetzt wird, glaube ich eher an die Informatiker.
Aber diese Antwort ist wahrscheinlich auch nur eine Facette von vielen.
Danke, Hans Jörg, das mit den Auswirkungen auf die Versicherungen etc. versteh ich. Allerdings geht es hier in den meisten Fällen um sehr langfristige Dinge, die eher vom tatsächlichen Wert des Unternehmens abhängen sollten, und nicht um kurzfristige Spekulationssprünge?
Danke, Bayer! Die Stop-Loss-Kaskaden sind aber aus meiner Sicht eher eine Erklärung, wie es zu solchen Spekulationssprüngen kommen kann, und keine Erklärung warum normale Menschen vom Aktienkurs in irgendeiner Form belastet werden sollten? Oder? Denn selbst nach Stop-Loss-Kettenreaktionen sollte sich (in der idealen Welt) der Kurs nach einiger Zeit wieder am realen Wert des dahinterstehenden Unternehmens einpendeln? Und Verluste dürften dann nur jene haben, die spekuliert haben – und entweder zu teuer gekauft oder zu früh verkauft haben?
Aus dem selben Grund warum über Morde im Hindukusch oder über andere „Top News“ berichtet wird – Sensationsgier.
Hat nix mit den Finanzen an sich zu tun – geschweige denn, dass jemand wirklich versteht / vorhersagen kann warum sich Kurse so entwickeln wie sie es tun.