Diese Woche wollte ich während der Arbeit Element of Crime hören. Weil ich die schon so lange nicht mehr gehört hatte, hatte ich wieder einmal Appetit auf sie.
Ich verwende Spotify, das tagsüber im Büro auch fast die ganze Zeit in meinen Kopfhörern läuft. Ich zahle für Spotify, bin allerdings vor kurzem vom großen Paket auf das kleinere um 5 € umgestiegen, weil ich am iPhone nur mehr Podcasts und keine Musik mehr höre. Bei mir ist das in der Arbeit dann meistens so, dass ich ein paar Tage lang wild durcheinander alle Tracks eines einzelnen Artists höre, bis ich die Texte mitsingen könnte (was ich aus Rücksichtnahme auf die Bürokollegen aber unterlasse). Ich verwende keine liebevoll handgepflegten Playlists und höre nie ein einzelnes Album.
Nun musste ich entdecken, dass Element of Crime nicht auf Spotify zu finden ist. Hmm. Das Interwebs erklärte mir umgehend, dass das von Element of Crime so gewünscht ist. Schade. Sie möchten lieber, dass ich mir ihr Album kaufe, und das dann „nicht per Zufall abnudle“. Auch schade. Am erregten Zustand des Frontmanns im Hinblick auf das Scheiß-Internet scheint sich also noch nichts geändert zu haben. Sehr schade.
Ich hab mir dann ein paar Element-of-Crime-Playlists auf Youtube angehört.
Problem gelöst? Irgendwie nicht 🙁 Mich lässt diese Sache sehr unzufrieden zurück.
Erstmal das Finanzielle
Das Interwebs sagt, dass Spotify pro abgespieltem Track ca. 0,0075 $ an das Label zahlt. Das mag auf den ersten Blick sehr wenig erscheinen. Wenn ich es aber mit meinem Hörverhalten durchrechne (15 Tracks pro Stunde, 8 Stunden am Tag, 3 Tage lang), kommen da schon 2,7 $ zusammen. Selbst großzügig abgerundet (weil ich in Meetings oder Pausen natürlich keine Musik höre), ist das aus meiner Sicht noch ein ganz erklecklicher Betrag, man ist ja auch gut 200 Tage im Jahr im Büro.
Warum die Labels davon den allergrößten Anteil einbehalten und nur einen Bruchteil an die Artists weiter geben, ist in Zeiten digitalen Vertriebs äußerst unverständlich und gemütserregend. Aber das dürfen die Artists wohl kaum Spotify oder den Fans vorwerfen. Ich weiß nicht, wie viel Kohle Element of Crime von Youtube bekommen hat, ich vermute aber: Nichts oder erheblich weniger.
Am Finanziellen kann die Verweigerung des Streamings also nicht liegen, oder?
Dann das Nutzerverhalten
Die Wahl des Nutzers (des Hörers) ist sowieso nicht: „Streamen oder Album kaufen“, sondern es ist „Streamen oder was andres hören“.
Ich bin ein großer Fan von Element of Crime, war auf mehreren Konzerten und habe in diesem Moment (kein Witz) ein „Große Gedanken, kleines Gehirn“-T-Shirt von ihnen an, das ich während ihres letzten Konzerts in Linz erstanden habe. Aber ich kaufe unter Garantie kein Album von ihnen (egal ob digital oder auf Plastik, wobei ich für Letzteres auch gar kein Abspielgerät mehr zur Verfügung hätte), weil das ganz einfach nicht zu meinem Hörverhalten passt. Würde ich tagelang immer die selben 12 Tracks laufen lassen, wäre es schnell um meine Zurechnungsfähigkeit geschehen.
Ich finde es sehr schade, dass Element of Crime glaubt, dass ich ihre Musik „abnudle“, nur weil ich sie lieber streamen möchte, weil das halt besser zu meinem Tag passt. Element of Crime wird es verdammt egal sein, was ein einzelner Fan davon hält, aber ich fühle mich jetzt durchaus beleidigt. Im November ist wieder ein Konzert in Linz – ich werde nicht hingehen.
Und schließlich die nächste Generation
Es ist wohl eine philosophische Frage, ob Element of Crime bestimmen darf, wie ich ihre Musik höre, darum möchte ich hierauf gar nicht weiter eingehen. Ob ich sie höre, können sie jedenfalls bestimmen. Ihr (nicht mehr ganz) neues Album kenne ich dementsprechend nicht mehr.
Und hier liegt der Hund begraben, der von Element of Crime und manchen anderen Artists unterschätzt wird: Wie sollen denn zukünftige Fans noch an ihre Musik kommen? Wie sollen sie sich denn an ein paar der besten Songs einen Gusto hören, um dann zu treuen Fans und Konzert-Gehern zu werden? Niemand kauft sich (mehr?) einfach so ein Album einer ihm fremden Band. Immer weniger Menschen hören das klassische Radio. Selbst wenn, wird dort kaum etwas Neues gespielt, schon gar nicht von Artists, die ein paar Zentimeter abseits des Mainstreams stehen. Auch das fällt also als Kennenlern-Kanal weg, MTV und Konsorten (gibts die überhaupt noch?) sowieso. Früher mag es für den experimentellen Kauf eines Albums gereicht haben, wenn eine geschätzte Bekannte von Welt von dieser einen tollen neuen Band geschwärmt hat; ohne Link geht das heutzutage nicht mehr.
Es ist die bewusste Entscheidung von Element of Crime, ob sie sich auf ihrem früheren Erfolg ausruhen möchte, wahnsinnig viele neue, junge Fans werden sie, denke ich, nicht mehr anziehen. Ganz einfach, weil viele potentielle Fans sie gar nicht kennenlernen können. Auf den Konzerten sieht man gut, wie die Fanbase in der selben Geschwindigkeit wie Element of Crime altert.
Ja, ich bin beleidigt, denn ich nudle nicht!
Der Vergleich hinkt, aber mir ist es lieber, wenn dieser Artikel von möglichst vielen Menschen gelesen wird. Auch auf die Gefahr hin, dass die meisten davon achtlos drüber fliegen, zwischendurch woanders hin klicken oder (unvorstellbar) gar keine leisen Schreie der Entzückung ob meiner geschliffenen Formulierungen ausstoßen. Denn so erreiche ich mehr Menschen, alte und neue Leser. Und die werden schon selber am besten wissen, ob sie den Artikel gepflegt im abendlichen Schaukelstuhl bei Pfeife und Portwein genießen möchten, oder lieber schnell am Smartphone am Klo.
Ich hoffe, dass sich die Meinung von Element of Crime einmal ändert. Aber so wie es derzeit aussieht, muss ich wohl dauerhaft auf ihre Musik verzichten. Und das ist extrem schade.