Nicht nur beim Billa hab ich Muße, um meine Gedanken schweifen zu lassen. Auch liegend beim Zahnarzt, die Beine weiter oben gelagert als der Kopf und den Mund schmerzhaft weit aufgerissen, hat man viel Zeit, über die Welt nachzudenken.
Wenn man nicht gerade mit verkrampften Händen und angsterfüllten Augen in das herzlose Gesicht des Zahnarztes blickt. Oder, um das hohe Sirren im eigenen Mund zu ignorieren, minutenlang bewegungslos auf die Decke über dem Zahnarztstuhl starrt.
Ah, die Zahnarztdecke. Kaum ein Flecken auf der Erde, der mehr Leid erleben, kaum ein Ort, der mehr Schmerzen mit ansehen musste. Direkt im Blickfeld des Gefolterten, nur leicht verdeckt von dieser seltsamen Lampe und den brutalen, kalten Augen des Zahnarztes hängen diese Zahnarztdecken aber relativ unbeeindruckt den ganzen Tag nur so rum, leben geradezu ziellos in den Tag hinein.
Das müsste aber nicht so sein! Die Decken könnten durchaus auch ihren sinnvollen Beitrag an der Gesellschaft leisten. Zur Ablenkung des Patienten beispielsweise; ein Bildschirm mit Kanzlerduellen in Endlosschleife dürfte etwaige unfreundliche Emotionen gegen den am Mund hantierenden Aggressor umgehend umleiten und auf würdigere Ziele übertragen.
Oder eine Kamera, die in den Momenten höchster Pein ein Foto macht, um es ähnlich einer Achterbahn beim Ausgang für einen nicht unbedeutenden Obulus käuflich zum Erwerb anzubieten. Als dezentes Erinnerungsstück für neben die Zahnbürste, um zukünftig etwas mehr Bürst-Motivation zu erzeugen. Und um den mageren Verdienst der armen Zahnärzte etwas aufzubessern.
Oder warum nicht gleich, ebenfalls zur Einkommensverbesserung der am Hungertuch nagenden Mediziner, um Reklame zu machen. Werbung am Zahnarzt-Plafond.
Ich für meinen Teil würde in den Momenten, an denen der Bohrer an meinem Nerv streift, so ziemlich alles kaufen, nur um nie, nie wieder hier liegen zu müssen.
Die teuerste Zahnpasta, Mundwasser, sogar dieses fingereinschneidende Zeugs namens Zahnseide – immer nur her damit, meine Kreditkarte ist in meiner rechten hinteren Hosentasche. Oh, es ist ein Blanko-Wechsel nötig? Gern, kein Problem, darf ich nur bitte, bitte aufstehen?!
Nachdem meine Zahnarztbesuche in den letzten Jahren immer gleich abliefen: Hinlegen -> 2-minütige Zahnsteinentfernung -> fertig, kenne ich das Problem jetzt nicht so.
Würde ich länger liegen müssen, würde ich mir eine junge Zahnärztin suchen, die lenkt sich er besser ab, als die weiße Decke.
Oh nein, die Schmerzen/Todesangst erzeugt von einer jungen (hübschen?) Zahnärztin würden bloß unerwünschte Nebeneffekte im Unterbewusstsein nach sich ziehen.
Man denke nur an die Assoziationskette: Frau > Ausziehen > Zahn ziehen.
Ich bin froh dass meine Zahnärztin ein unaufregendes älteres Semester ist.
Mein Zahnarzt hat sich dazu schon ordentlich Gedanken gemacht und ein Diplomarbeitsprojekt zur Deckengestaltung umgesetzt: http://www.dr-sacher.at/de/besonderheiten/deckenornamentik/
Aber so viel Unterschied macht’s ehrlich gesagt auch nicht, ob ich unter diesem Labyrinth oder unter einer weißen Decke liege, wenn mich das Gefühl überkommt, dass die Betäubungsspritze meinen ganzen Rachen anschwellen lässt und ich gleich ersticken werde 😉
Ich find das verdammt cool, dass sich da ein Zahnarzt tatsächlich schon Gedanken drüber gemacht hat 🙂 Privat- oder Kassen-Arzt?