Bergen, am 13. November 2010
Liebes Tagebuch,
hinter Stephans oberflächlicher, harter Schale voller verschlagener Brutalität und Menschenverachtung steckt eine noch viel härterer Kern, bis zum Brechen gefüllt mit verschlagener Brutalität und Menschenverachtung. Nicht nur, dass er mir sämtliche Kreditkarten und Reiseschecks sowie den Notfall-Fünfziger von Oma abgenommen hat, auch die Nächte im gemeinsamen Hotelzimmer sind alles andere als Urlaub für mich.
Er hat nämlich die Angst, dass ihm Mordkommandos des amerikanischen Geheimdienstes auf den Fersen sind – durchaus berechtigt, immerhin ist er noch vor Robert Fisher, Alexis Flores und Osama Bin Laden auf der Most-Wanted-Liste des FBI. Daher muss ich wie ein Wachhund zusammengerollt vor der Hotelzimmertüre schlafen, damit Stephan rechtzeitig gewarnt wird: „Außerdem muss ich so deine Drecksfresse nicht ertragen“, pflegte er grinsend hinzufügen.
Auch tagsüber schikaniert er mich. Ich darf in seiner Anwesenheit weder den Blick heben noch sprechen, denn, wie er gleich bei der Ankunft in Bergen unmissverständlich klar stellte: „Wenn der Kuchen spricht, hat der Krümel Pause.“