Hinter diesem peinlich reißerischen Titel verbirgt sich eine Idee, die mir dieser Tage zu einem der drängendsten Probleme der postmodernen Gesellschaft gekommen ist. Es geht, selbstredend, um ein Thema, das ich schon des Öfteren behandelt habe: Die unerträgliche Wartezeit, die man an Supermarktkassen hinter unfähigen Einkäufern ertragen muss.
Das Problem
Das Phänomen, dass die Schlange, an der man sich selbst anstellt, ausnahmslos immer die langsamste ist, ist altbekannt und eines von den Saxx’schen Gesetzen. Denn Gründe für quälend träge Supermarktkassenschlangen gibt es sonder Zahl, etwa (die verbreitetsten Gründe auszugsweise):
- Kunde sucht nach Geld, hat nicht genug dabei oder ist von der Bankomatkasse überfordert
- Kunde sucht nach Kundenkarte oder möchte sich für eine solche registrieren
- Kunde hat vergessen, Obst oder Gemüse abzuwiegen
- Kunde ist von Aktionen oder Rabatten überfordert
- Kunde hat keine Freunde und sucht Gespräch mit Kassier
- Kunde zerbricht Behältnis und eine Putzkraft muss gerufen werden
- Kunde unterzieht die Rechnung einer detaillierten Prüfung und beschwert sich in Folge
- Kunde hat ein falsches Produkt gewählt, merkt den Fehler erst nachdem es der Kassier über den Scanner gezogen hat, schreit Zeter und Mordio und geht dann doch das richtige suchen
Meistens ist der Kunde auch noch alt, was automatisch alle oben genannten Gründe impliziert, die Verzögerung aber zusätzlich verdoppelt.
Verbringt man nun als schwer arbeitender Mensch die eigene, knappe Mittagspause hinter solchen Zivilisationsverlierern und bremsenden Lebenszeitverbrauchern, hat das schon gern mal ein verzweifeltes Hängeringen gen Himmel oder einen erbosten Schnaufer zur Folge. Machen kann man aber, ob der gesellschaftlichen Konventionen, nix dagegen.
So geht das einfach nicht
Ja klar, es gibt schon ein paar gut gemeinte Versuche der Supermarktleitungen, diesem Problem Herr zu werden. Bis dato will aber, so meine durchaus umfangreiche Erfahrung, noch nichts so recht funktionieren.
Schnellkassen, wo man sich nur mit einer bestimmten Maximalanzahl an zu bezahlenden Objekten anstellen darf, weisen an sich alle oben genannten Probleme auf. Dazu kommt aber, dass sich auch Kunden mit mehr als eben jener Maximalanzahl einreihen, was in Folge zu Diskussionen mit dem Kassier führt und die Wartezeit am Ende des Tages sogar noch zusätzlich erhöht.
Selbstbedienungskassen lösen zwar die eine oder andere bremsende Hürde, solange sie auf sozialer Interaktion basieren. Die viel zu oft vorherrschende heillose Überforderung mit der eingesetzten Technik macht diese Vorteile aber schnell wieder zunichte und unterm Strich müssen die harrenden Hintermänner genau so lang warten, händeringend und erbost schnaufend.
Die radikale Endlösung
Als ich wieder einmal hinter einer besonders langsamen älteren Dame stand, mit einsatzbereit gezückter Kundenkarte und perfekt abgezähltem Geld minutenlang warten durfte, entstand einer dieser seltenen Geistesblitz und die Lösung zur Kassenfrage. Wie man nämlich schon obiger Aufzählung der verbreitetsten Kassenzwischenfälle erkennt, ist die Ursache fast ausschließlich in unfähigen Supermarktkunden zu suchen. Diese müssen ausgesondert und speziell behandelt werden, um zu verhindern, dass sie überhaupt erst gar nicht zu Bremsern werden können.
Zuerst, und der geneigte Leser verzeihe bitte diesen geschmacklosen Kalauer (es muss aber sein), habe ich an spezielle Schulungsprogramme gedacht. Mit Zügen könnten Kunden, die dergestalt besonderer Behandlung bedürfen, kostenfrei in spezielle Kundenschulungszentren (KZ) gebracht werden um dort in optimaler Bezahlweise unterwiesen zu werden. Die aus einem solchen Programm resultierenden Kosten wären aber vermutlich horrend, der Erfolg zweifelhaft und ich habe sowieso einen noch besseren Vorschlag:
Es gibt, je nach Größe des Supermarkts, eine oder mehrere dedizierte Eilkassen, die nur von Schnellzahlern mit erwiesener Effizienz benutzt werden können. Der Zugang zu diesen Kassen ist streng reglementiert und geschützt, Zugang ist nur mit speziell freigeschaltenen Kundenkarten möglich, um Betrüger und eilschmarotzende Volksschädlinge von vornherein auschließen.
Um überhaupt Zugang zu diesem elitären Eilkassensystem zu erlangen, muss man eine aussagekräftige Anzahl an effizienten Bezahlvorgängen (ich denke hier an beispielsweise zehn) vorweisen können. Das passiert, indem der Kassier an einer normalen Kassa nach erfolgtem, optimalem Bezahlvorgang über die Kundenkarte ein Lob (nennen wir das mal „Speedscore“) vermerkt. Der Kunde kann so in den elitären Speedscore-Club (SS) aufgenommen werden.
Ist man dergestalt für die Eilkassen freigeschalten, kann man sie ab sofort jederzeit benutzen. Passiert es jedoch einmal, dass man, aus welchem Grund auch immer, selber als Bremse auftritt, geht der gesamte gesammelte Speedscore sofort verloren und man muss sich den Zugang zum Eilkassensystem von Grund auf neu verdienen. Es gibt keine Ausnahmen. Wer bremst, fliegt raus.
Die einzige Schwachstelle, die die Perfektion dieses Systems trüben könnte, ist mögliche Flaschenhals des Zugangspunkts zu den Eilkassen. Hier könnte es theoretisch vorkommen, dass unwissende Zeitgenossen mit ihren überfüllten Einkaufswägen den Zugang blockieren und wertvolle Zeit verstreicht, bis sie kneißen, dass sie hier als Bremser nicht rein können. Dies muss durch ein möglichst optimales Zugangssystem, verständliche Beschilderung und uniformierte Freiwillige verhindert werden.
Die technischen Finessen werden von mir noch in den nächsten Tagen detailliert ausgearbeitet, ein Patent ist bereits eingereicht. Ich gehe davon aus, dass mein System der Eilkassen innerhalb der nächsten drei Monate weltweit von allen namhaften Supermarktketten eingeführt wird, der marketingtechnische Schwerpunkt liegt in der ersten Phase in Deutschland und Österreich, später dann aber in den Benelux-Ländern, Frankreich und Osteuropa.
Das durch die enorme Effizienzsteigerung ausgelöste Wirtschaftswachstum dürfte sich, so Experten, im Euroraum auf knapp zwölf Prozent innerhalb eines Jahres belaufen. Es kann auch von einem signifikanten Rückgang an Morden, Selbstmorden sowie Verstümmelungen ausgegangen werden. Die Einsparungen im Gesundheitsbereich, die durch die zu erwartende bevölkerungsweite Blutdrucksenkungs schlagend werden, lassen sich bis jetzt noch nicht beziffern, dürften sich aber allein in Österreich im mehrstelligen Milliardenbereich bewegen.
Du hast nichtmal „Autobahn“ geschrieben.
1. is dir fad? 🙂
aber ich versteh dich, mich nerven diese Bremser auch. Ich hab mir aber angewöhnt mir zu überlegen, ob ich tatsächlich so drawig bin oder ob wir nur schon so dran gewöhnt sind, dass alles zack-zack geht. Manchmal hat man nämlich eigentlich eh Zeit und dann muss man sich selbst erinnern, dass es nicht schlimm ist, wenn man ein bisschen wartet 😉
2. Mein Anglisten- genauso wie mein Germanistenherz schmerzt, es schmerzt oh so much. „Am Ende des Tages“ ist einer dieser schrecklichen Anglizismen die – vor allem in der Marketingbranche – seit einigen Jahren immer häufiger verwendet werden. Das ist eine eingedeutschte englische Redensart, die es so im Deutschen auf keinen Fall gibt.
Ich weiß, ich weiß, Sprache verändert sich etc., das nennt man „borrowing“ und ja, ich hab das alles in Linguisticskursen gelernt, aber trotzdem. Es tut so weh.
Was du meinst ist: „im Endeffekt“, „letztendlich“, oder – was dem ganzen noch am Ehesten entspricht – „unterm Strich“.
„Am Ende des Tages“ heißt es nur, wenn man tatsächlich die Tageszeit meint – den Abend; und selbst da würd ich es nur verwenden, wenn ich mich sehr poetisch auszudrücken versuche.
Es tut mir Leid, ich weiß ich klinge total oberlehrerhaft, aber sowas macht mich fertig und bereitet mir physische Schmerzen – und das willst du doch nicht? 🙂
@ JuMa, Pt. 2: Du hast völlig Recht. Aber Du hast „Flaschenhals“ vergessen – muss bekanntlich „Nadelöhr“ heißen. Ich bin btw. (oh my god, Anglizismus) ein notorischer Oberlehrer – was mich allerdings nicht fertigmacht.
@ Saxx: Zeter! Mordio! Dieser Beitrag kann doch nur ein Palgiat von Lars von Trier sein! So say it loud: „I’m a Bazi“
@Guy inkognito: da hab ich dann kurz mal nicht mehr so genau gelesen, hab das völlig übersehn – war so aufgebracht wegen des „at the end of the day“s 😉
(da fehlt doch aber eh was in dem Satz, daher kann ich auch nicht genau sagen ob jetz Nadelöhr das richtige Wort wär.)
Mich machts auch nicht fertig, ich entschuldig mich nur, weil man ja nicht weiß, wie andere reagiern 🙂 (vor allem wenn man Jemandes Arbeit kritisiert …)
So sehr ich die Hinweise bezüglich „Am Ende des Tages“ und „Flaschenhals“ schätze (ich lese derzeit offenbar tatsächlich zuviel englisches Zeugs), bin ich jetzt doch enttäuscht, dass das die ganze Reaktion auf meinen hervorragenden Vorschlag ist. Ich glaub, euch ist das enorme Potential noch nicht ganz bewusst, das hinter einem optimierten Kassenvorgang liegt.
Ach, und der verdammte von Trier ist mir zuvor gekommen. Mein Beitrag wär nämlich eh schon vor zwei Wochen fertig geschrieben gewesen …
Ich bewundere natürlich die Arbeit die du da reingesteckt hast! Tut mir Leid, dass ich das nicht extra erwähnt hab 🙂
Aber sosehr mich der Kassenfluch früher genervt hat, irgendwie bemüh ich mich wie gesagt in letzter Zeit immer, mich nicht mehr so darüber aufzuregen 🙂
Liegt vl am Altwerden… *grins*
Hm, könnt gut sein, klingt ziemlich nach Alt-Sein, deine Einstellung: „I wü nix ändern, is ma wurscht, sowieso ois a Schas, i reg mi ned auf, früher woa sowieso ois besser“ 😛
Oberflächlich gesehen ist etwa die spanische Revolution ein Aufschrei der Jugend gegen die Unfähigkeit der Politik, gegen die Misswirtschaft und die Gier. Wenn man aber ganz genau hinschaut, kommt hier fast ausschließlich die Wut auf quälend langsame Kassenschlangen, auf Bremser und Zögerer beim Bezahlen zur explosiven Eruption.
Darum: Jetzt handeln. Nicht dass es in 10 Jahren heißt: „Wos, na, bei uns woa do nixi, da wär ma nie was aufgefallen, des woa woanders, irgendwo im Osten. Mia hom jo nix gwusst davon, wos hättma denn tuan können?“
dein Vorschlag würde die Einführung einer ZweiK(l)assengesellschaft bedeuten…