Vor gut einer Woche wurde ich über diverse Umwege von einer Dame angerufen, die mir anbot, bei einem Marktforschungsprojekt über Bier teilzunehmen. Nach einigen oberflächlichen bier- und alkoholbezogenen Fragen stellte sich heraus, dass ich perfekt in die Zielgruppe passe ("Würden Sie sich selbst als modern und am Puls der Zeit bezeichnen? Antworten Sie mit Ja oder Nein."). Meine Aufgabe wäre es, ein kurzes Tagebuch über einige Tage hinweg zu führen (Vordruck würde mir zugeschickt) und an einer Gruppendiskussion teilzunehmen. Als Entlohnung winken mir Verpflegung (natürlich drängte sich mir der eine oder andere Gedanke nach gratis Bier auf) während ebenjener Runde und fünfzig leichte Euros. Ohne lange zu überlegen. sicherte ich meine Teilnahme zu – natürlich nicht wegen des Geldes, sondern wegen der Möglichkeit, die Biergesellschaft nachhaltig zum Besseren zu verändern.
Soweit die schöne Theorie. Die Praxis schaut schon etwas seltsamer aus: Am Freitag habe ich den Tagebuch-Vordruck inkl. Terminerinnerung und Einleitungsbrief zugesandt bekommen. In sämtlichen Schriftstücken wird das Wort "Bier" noch nicht einmal erwähnt. Nun gut, wahrscheinlich handelte es sich dabei um standardisierte Vordrucke des dubiosen Marktforschungsunternehmens. Verstörend wirkt auf mich da schon eher der Tagebuchvordruck: Erwartet hatte ich irgendwas, wo ich meine täglichen Erfahrungen mit Bier eintragen sollte, von mir auch etwas für meine Gedanken zu aktuellen Bier-Werbefeldzügen. Tatsächlich handelt es sich aber offensichtlich um ein Schriftstück für das nächste Homosexuellen-Zeltlager*.
Über fünf zusammenhängende Tage inkl. Wochenende hinweg soll ich zu folgenden Punkten etwas aufzeichnen:
- Darüber habe ich mich heute gefreut.
- Das hat mich heute genervt.
- Das war heute ein echter Moment der Lebensfreude: Weil? Wo? Mit wem?
Als Krönung dieses Gayfests* ist aber (ich zitiere aus der beiliegenden Anweisung):
Ihre Kreativität ist gefragt: Außerdem ist uns Ihre Collage zum Thema: "Ich und meine schönsten Momente voll Lebensfreude" besonders wichtig. Verwenden Sie dazu bitte den ausklappbaren Papierbogen am Ende Ihres Tagebuchs. Alles, was Ihre Welt der Lebensfreude ausmacht, soll hier abgebildet werden. Verwenden Sie dazu Zeitungsausschnitte, Fotos, Bilder aus Zeitschriften, Zeichnungen etc. Sie können die Collage täglich bearbeiten oder nur ab und zu, Kleben Sie ein oder zeichnen Sie auf, was Ihnen wichtig ist. Alles ist erlaubt….
Was das alles mit Bier zu tun haben soll, wird sich mir wohl erst am Abend der Gesprächsrunde eröffnen. Der gute S. (der dank meiner Empfehlung dort auch teilnimmt) und ich vermuten ja eine Rekrutierungsaktion der Zeugen Jehovas oder einer anderen Sekte (was den schwulen* Unterton obigen Schriftstücks erklären würde). Gegen diese Theorie spricht höchstens, dass meine S. (ein anderes S. diesmal) als Bier-Verweigerin nicht für das Forschungsprojekt in Frage kam.
Der geneigte Leser und die bezaubernde Leserin darf versichert sein, dass ich ihn oder sie auf dem Laufenden halten werde …
* Not that there’s anything wrong with it.