So unglaublich es klingt, aber selbst ich kann mich dieser seltsamen Natascha-Kampusch-Faszination nicht entziehen; ganz im Gegenteil, ich bin geradezu besessen vom illustren Abenteuer der wortgewandten Wienerin und verschlinge alle Artikel in der österreischen Qualitätsgratispresse (Österreich, Heute, Neue – Bezahlzeitungen sind angesichts dieser morgendlichn Top-Berichtserstattung echt überflüssig). So habe ich natürlich auch mit Spannung das gestrige Fernsehinterview von Natascha Kampusch, die ich übrigens liebevoll "Tascherl" nenne, erwartet. Der gespannte ORF2-Fernsehschauer wurde aber leider enttäuscht, da eigentlich keine neuen Informationen zu Tage kamen. Die "aufwändig nachgestellten Szenen" * schmissen mich auch nicht gerade vom Hocker bzw. vom Bett.
Erwähnenswert sind neben dem schockierenden Aussehen von Tascherl (dazu ein andermal ausführlich mehr) höchstens der geniale Oberlippenbart ihres Vaters (halt auch nichts Neues), die Gefühlskälte der Mutter (wieder nichts Neues) und die Frage, warum weder Mama noch Papa tatsächlich "Kampusch" heißen. Ich vermute hier ja einen Künstlernamen oder eventuell auch eine Hommage an meinen WG-Genossen Daniel **. Ein bisschen neidisch bin ich natürlich auch auf die hervorragende Ausdrucksweise Nataschas, die man gar nicht genug loben kann. Ich will zwar nicht geschmacklos sein, aber so manchem Schreiberling in der österreichischen Blogger-Szene würden ganz offensichtlich ein, zwei Jährchen beim Priklopil nicht schlecht tun.
Trotz meines Natascha-Fan-Daseins weiß ich aber noch immer nicht so recht, was ich von ihr halten soll – meist erscheint sie ja als das liebenswürdige Opfer, das wie durch ein Wunder in einem unglaublichen Akt der Stärke ihre Menschlichkeit bewahrt hat. Dann aber wieder hört man von Alfred Worms, Chefredakteur der Boulevardillustrierten News, dass sie ihre Berater wie Sklaven herumscheucht. Auch die Interviews mit Christoph Feuerstein sollen nicht ganz so angenehm abgelaufen sein, wie uns die von Natascha überarbeitete Fernsehfassung glauben machen will. Die Forderungen, die sie für ihre Interviews zb an News stellte und bekam (Apartment, einen frei wählbaren Job im Verlagshaus ***) sind auch nicht von schlechten Eltern und äußerst unsympathisch. Und wenn man dann noch den Gerüchten glauben darf, dass sie darauf bestanden hat, in einer eventuellen Hollywood-Verfilmung von Scarlett Johansson gespielt zu werden …
Diesen und ähnliche Gedanken will ich aber gar nicht weiter spinnen, auch wenn ich zugeben muss, dass mich der Kommentar "Has anyone noticed that Natascha doesn’t look a thing like the pictures that portray her as a 10 year old girl?" unter einem englischen Zeitungsartikel über Natascha kurz Fotos vergleichen ließ; aber zumindest auf einem sieht man doch Ähnlichkeiten und DNS Tests lügen ja auch nicht. Jedenfalls bin ich äußerst gespannt wie sie sich weiter entwickeln wird.
* kündigte orf.at noch am Nachmittag vollmundig at.
** Glücklich, wer ihn kennen darf.
*** Wofür Tascherl überhaupt noch arbeiten will, ist mir auch ein Rätsel – Geld hat sie ja wahrlich genug mittlerweile.