Eines der ersten und wichtigsten unerklärlichen Phänomene der Arbeitswelt, das ich vor mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt kennen lernen durfte, ist die Macht des Klojokers.
Ich bin sicher, dass auch der geneigte Leser schon viele, viele Male vom Klojoker profitiert hat, wenn vielleicht auch unbewusst:
Man sitzt stundenlang vor einem Problem, dass einfach nicht gelöst werden will. Egal ob es der versteckte Bug im Programmcode, die knifflige juristische Formulierung oder die zündende Marketingidee – man kommt einfach nicht drauf. Voller Verzweiflung rauft man die Haare, ruft die Jungfrau Maria oder gleich Horus an und zerquetscht den Stressball, kommt der Lösung aber keinen Schritt näher. Am liebsten würde man alles in die Ecke pfeffern und sich besaufen gehen.
Vorher ruft aber dringend die Natur, und man sucht die nächstgelegene Toilette auf. Und während man dort geschäfteverrichtenderweise sitzt oder steht, fällt es plötzlich wie Schuppen von den Augen, die vorher so unerreichbare Lösung erscheint aus dem Nichts wie die sprichwörtliche himmlische Eingebung. Alles ist gut, die Vögelchen singen und die vormals scheinbar unbewältigbare Hürde wird mühelos überwunden.
Das ist der Klojoker.
Seit Jahren nütze ich die die Macht des Klojokers. Sie lässt einen nie im Stich, so lange man drei einfache Regeln befolgt:
Der Klojoker darf maximal dreimal Mal pro Tag eingesetzt werden, idealerweise aber nur einmal täglich. Jedes zusätzliche Mal schmälert seine Macht.
Der Klojoker darf nur dann eingesetzt werden, wenn alle anderen Stricke reißen. Er muss der letzte Ausweg sein.
Der Klojoker funktioniert nur, wenn man auch tatsächlich ein Geschäft zu verrichten hat. Er lässt sich nicht per gefälschtem Klogang an der Nase herumführen.
Neuere Studien, die allerdings noch nicht empirisch belegt sind, werfen übrigens neues Licht auf den Klojoker: Man spricht dort nämlich vom „Penisjoker“ und verbindet die Macht nicht mit dem Gang zur Toilette, sondern viel konkreter mit dem direkten Kontakt zum besten Stück.
Ich persönlich stehe dieser Denkrichtung aber kritisch gegenüber, denn sie würde bedeuten, dass das Phänomen des Klojokers ausschließlich bei Männern während des kleinen Geschäfts funktionieren würde. Und meiner Erfahrung nach ist die Macht des Klojokers allumfassend.
In einem archäologischen Kraftakt in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Wien, dem Vatikanischen Archiv und CERN hat RandomInsights das Allgemeine Bürgerliche Beziehungsgesetzbuch von 1812 aufwändig restauriert und veröffentlicht es nun weltexklusiv im Original. Auch heute, in den vermeintlich modernen Zeiten der 2. Republik, ist das ABBGB die wichtigste noch geltende Kodifikation des Beziehungsrechts in Österreich.
Das erste Hauptstück des ABBGB behandelte die legislativen Details der langfristigen Aufrechterhaltung einer Beziehung, währenddessen das nun folgende zweite Hauptstück die noch viel verworreneren Untiefen der Beziehungsherstellung bespricht.
§1a
Erfolgen zum Behufe des gegenseitigen Kennenlernens zum Zwecke der Anbahnung einer Beziehung sich wiederholende Treffen (im Volksmund so genannte „Dates“), so hat ein den involvierten Parteien entsprechender Geschlechtsakt empfohlenerweise beim dritten, spätestens jedoch beim fünften dergestaltigen Date stattzufinden. §1b
Die Legislative sieht vor, dass diese gesetzlich zugesicherte Verpflichtungserfüllung zur Aufrechterhaltung des pensionssystemrelevanten Generationenvertrags mit Unterstützung der Exekutive eingefordert werden muss. §1c
Der erste Kuss hingegen kann selbstredend auf Wunsch bis zur Schließung eines allfälligen Ehepaktes aufgeschoben werden.
§2a
Das Kennenlernen und Ansprechen eines potentiell zukünftigen Beziehungspartner mit dem Ziel einer mündlichen Zusicherung eines Dates ist ausschließlich an von der Republik dafür vorgesehenen und bereitgestellten öffentlichen Etablissements wie „Zeltfesten“, „Provinzdiskotheken“ oder am Tanzabend zur Feier der Ernte am Ende des Sommers beim Dorfwirt’n erlaubt. §2b
Dates sind alleine unter dem Gesichtspunkt, als dass sie als unbedingt notwendige Audition zur Paarung erforderlich sind, erlaubt. Es ist unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen verboten, im Zuge eines solchen Spaß zu haben beziehungsweise Vergnügen jedweder Form zu empfinden.
§3
Besonders das sagenumwobene „Erste Date“ ist in jeder Form vergleichbar mit einem Bewerbungsgespräch, mit dem Unterschied vielleicht, dass ein solches viel entspannter und unverbindlicher ist sowie nur in seltenen Fällen eine ganze Nacht dauern kann. Eine sorgfältige Vorbereitung ist dementsprechend unablässig, hilfreiche Gesprächskärtchen zu Themen wie “Meine drei größten Schwächen?” oder “Wie reagiere ich unter Druck?” werden dringend angeraten. Die Legislative empfiehlt darüber hinaus vor allem weiblichen Parteien, im Vorfeld unbedingt für farblich abgestimmte Lingerie sowie die gründliche Depilation aller zugänglicher Körperstellen zu sorgen.
§4
Um sicherzustellen, dass jede in ein Date involvierte Partei möglichst ausführlich und detailliert über die eigene Vorteile, sowohl in genetischer als auch sozialer Hinsicht, informiert wird, sollte man während eines ebensolchen möglichst viel reden, vorzugsweise von vorangegangen gescheiterten Beziehungen und den Fehlern anderer. Zeigt dies nicht die gewünschte Wirkung – namentlich die unmittelbare Herstellung der Paarungsbereitschaft, empfiehlt der Gesetzgeber ausdrücklich den umfangreichen Einsatz von Alkoholika oder vergleichbarer Betäubungsmitteln, um eine zeitgerechte Erfüllung von §1a sicherzustellen.
§5
Verläuft ein Date erfolgreich, erfolgt aber selbst unter Kenntnisnahme von §1a kein Sexualakt, kann jede involvierte Partei zumindest auf eine körperlich-soziale Interaktion namens „Gute-Nacht-Kuss“ bestehen. Ziel dieser abendbeschließenden Handlung ist es, die eigene Zunge möglichst tief in den Hals des oder der anderen involvierten Partei zu stoßen, um durch ein Befühlen der Mandeln dessen oder deren genetische Zuverlässigkeit zu prüfen.
§6
Kommt es am Ende eines Dates zur Berücksichtigung von §1a und dergestalt zum Sexualakt, ist es im Hinblick auf eine spätere Beziehung dienlich, so früh wie möglich auf jedwede sexuelle Fantasie beziehungsweise Fetisch hinzuweisen. Besonders ausgefallene Wünsche, die Legislative verweist hier im Besonderen auf Vorlieben wie den Dirty Sanchez, den Cleveland Steamer oder den Strawberry Shortcake, sollten bereits zu diesem ehestmöglichen Zeitpunkt besprochen und ausgelebt werden. Dies dient dazu, jedwede Zurückhaltung, Illusionen und Wünsche des oder der zweiten involvierten Partei von vorneherein auszuschließen.
§7
Oft ist es nicht für alle involvierten Parteien unmittelbar ersichtlich, wann sich der Aggregatszustand eines allfälligen Beisammen-Seins von “Spaß haben” in Richtung “Beziehung” verfestigt. Für den objektiven, gesetzgebenden Beobachter ist dies allerdings sehr einfach zu erkennen: Von einer Beziehung spricht man ab jenem Zeitpunkt, an dem die Höschengröße der involvierten weiblichen Partei erstmalig 10 cm² übersteigt.
Ich weiß, einige geneigte Leser (vermutlich vor allem geneigte Leserinnen) können einem bestimmten Problem so gar nichts abgewinnen, auch wenn es mich selbst wahnsinnig plagt: Es ist richtig schwierig, Kleidung einzukaufen. Zumindest, wenn man es gut machen will.
Langjährige geneigte Leser wissen nur zu gut, dass mir dieser Sachverhalt schon immer zu schaffen gemacht hat ((Zu meiner Überraschung musste ich eben feststellen, dass es sogar schon einen eigenen Tag zu diesem Thema gibt.)), und auch mit zunehmend reiferem Alter verringert sich – wider Erwarten – für mich die Komplexität des Kleidungskaufes nicht. Eher im Gegenteil.
Was sich mit zunehmendem Alter offenbar ebenfalls nicht verringert, ist die Neigung, alles höchst sozial- und evolutionsphilosophisch hinterfragen zu müssen. Und deswegen kann ich nach Monaten der Inkubation eine neue Theorie ((Eine vor Vorurteilen triefende Theorie zwar, aber das hat mich bekanntlich noch nie gestört, wenn es darum geht, eine Argumentation zu untermauern.)) ins Felde führen, warum es so schwierig ist, gut Kleidung einzukaufen:
Männer
Männer kaufen immer dann Kleidung, wenn sie müssen. Entweder, weil nun auch bei der allerletzten Boxershort der Gummilebensfaden gerissen ist ((In diesem Witzchen steckt richtig viel Hirnschmalz.)). Oder weil die Hochzeit des besten Freundes ansteht und man erst am Abend davor mit Überraschung feststellen musste, dass der Matura-Anzug doch nicht mehr passt. Oder weil man sonst Waschen müsste.
Und da dringende Not ein schlechter Ratgeber ist, kaufen Männer dann halt irgendwas. Hauptsache es passt. Und ist nicht zu teuer.
Frauen
Im krassen Gegensatz zu Männern brauchen Frauen niemals dringend Kleidung. Auch wenn sie es selbst nicht wahrhaben wollen: Eine Person, die sich ständig vor dem überquellenden, sperrangelweit geöffneten Schrank fragen muss, was sie denn bloß wohl heute wieder anziehen soll, kann unmöglich zu wenig Garderobe haben ((Das erinnert mich daran, dass ich auch schon lange über die Perversion „begehbarer Kleiderschrank“ schreiben wollte.)).
Frauen kaufen daher dann Kleidung, wenn sie Lust haben. Und dass Lust kein besserer Ratgeber als Not ist, muss ich wohl nicht extra betonen. Es wird auch nicht gerade dadurch leichter gemacht, dass sie darauf immer Lust zu haben scheinen. Hauptsache sie sind im Moment des Einkaufs davon überzeugt, dass das in Frage stehende Stück absolut lebensnotwendig ist.
Die Lösung
Der ideale Kleidungskäufer würde sich demzufolge also irgendwo im Niemandsland zwischen Männern und Frauen befinden: Einkaufen gehen nicht gerade im allerletzten Moment, aber auch tatsächlich nur dann, wenn tatsächlich Bedarf besteht. Beeinflusst weder durch bedrängende Not, noch durch unaufhaltsame Lust.
Vielleicht wäre es aber auch eine viel bessere Lösung, einfach einen unparteiischen Dritten zum Einkauf zu schicken. Freiwillige bitte vor, meine Kreditkarte kann jederzeit abgeholt werden.
Offenbar leide auch ich an einer weit verbreiteten neurologischen Störung namens Misophonie – der „Hass auf Geräusche“. Bestimmte Geräusche. Hass beschreibt das eh schon ganz gut, passen würde aber auch „unbändige Wut“ und „unerträgliche Abscheu“.
Immerhin ist es beruhigend zu wissen, dass es auch andere Menschen gibt, die ihre gesamte Selbstbeherrschung zusammenkratzen müssen, um einen blutigen Amoklauf zu verhindern, wenn
Der/die höchst verschnupfte Gegenüber einen ganzen Tag lang möglichst müllvermeidend leben will und deswegen stundenlang auf den Nasen-entlastenden Einsatz eines Taschentuchs verzichtet.
Der/die Gegenüber minutenlang in bester Pony-Manier mit offenen Mund an einem Stück Apfel herumknabbert.
Der/die Gegenüber den Mund mit dem Blasloch eines Blauwals verwechselt und den ganzen Raum an entsprechenden Atemgeräuschen teilhaben lässt.
Der/die Gegenüber mit spitzen Lippen unbedingt auch noch das letzte Suppen-Molekül vom Löffel saugen möchte. Und sich dieses Molekül offenbar auch nach hartem Kampf nicht von ebenjenem lösen will.
Wie ist das dann eigentlich, wenn meine Selbstbeherrschung vielleicht mal doch nicht mehr ausreicht? Kann ich dann überhaupt strafrechtlich für einen blutigen Mord vernünftig belangt werden, so als Verrückter mit gravierender neurologischer Störung?
Beim Konsum Ihres feinen, jodierten Bad Ischler Kristallsalzes ist mir ein Tippfehler in der Produktbeschreibung aufgefallen: Es heißt dort unbrührten – hier fehlt offenbar ein e:
Ich hoffe, dass mein Hinweis nützlich für Sie ist und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Im Zuge von Project Wisenheimer gehe ich mitleidslos gegen die schlimmste Seuche und Geisel des Abendlandes vor: Rechtschreibfehler auf Produkten. Sollten die dergestalt von mir benachrichtigen Unternehmen antworten, wird auch dies hier veröffentlicht.
Als persönliches Service für einen meiner treuesten Leser und fleißigen Wanderer gibt es nun eine automatische Benachrichtigung per E-Mail, wenn ein neuer Beitrag auf RandomInsights veröffentlicht wird. RSS ist halt noch immer nicht jedermanns Sache.
Eintragen hierfür entweder seitlich, oder hier:
[subscribe2]
Ich hoffe, dem geneigten Leser damit gedient zu haben und verbleibe hochachtungsvoll.
Jeder geneigte Leser, der etwas freie Zeit bei der Hand hat, sollte sein Wissen über Edward Bernays auffrischen, etwa entweder per Wikipedia, via Podcasts (oder hier) oder mit der preisgekrönten Dokumentation von Adam Curtis.
Kurz zusammengefasst für diejenigen ohne Zeit: Bernays, ein Neffe Freuds, war der Erfinder von PR (früher gerne auch Propaganda genannt) und ein Meister der Manipulation der Massen. Ihm ist es zu verdanken, dass die Industrie begonnen hat, Bedürfnisse zu erzeugen, statt sie nur zu erfüllen. Er kam auf die Idee, Rauchen mit „cool“ und „Freiheit“ zu verknüpfen, oder Autos mit Männlichkeit. Er hat mindestens eine CIA-gestützte Revolution in Mittelamerika bewirkt und es heißt, dass seine Bücher am Nachtkästchen von Goebbels gelegen haben sollen.
Mich hat die unglaubliche Effizienz und methodische Zielstrebigkeit – nicht zuletzt heißt Bernays‘ wichtigstes Buch „The Engineering of Consent“ – dieser Massenbeeinflussung ziemlich schockiert. Im Prinzip kam da ein Auftraggeber auf Bernays zu, beispielsweise die Tabakindustrie mit dem Wunsch „Wir möchten, dass Frauen mehr rauchen“ – und der hat kurzerhand mit ein paar gut durchdachten PR-Aktionen die Gesellschaft umgekrempelt um genau das zu erreichen. Und das hat wahnsinnig gut funktioniert.
Wie es sein kann, dass eine an sich demokratische, reife Gesellschaft so irre zielgerichtet manipuliert werden kann, dass sie unbewusst alles will und tut, was von ihr „gefordert“ wird, kann ich mir nicht erklären. Dass es aber ganz ohne Zweifel funktioniert, hat die Geschichte der letzten hundert Jahre oft genug gezeigt. Von Bernays‘ erfolgreichen Werbekampagnen bis hin zum Dritten Reich.
Ich bin auch überzeugt davon, dass dies noch immer passiert. Also dass Manipulation und Propaganda PR nicht nur im „kleinen“ Maßstab in der alltäglichen Werbung stattfindet, sondern wir auch in richtig großem Umfang gesteuert werden. Auch (vor allem?) jene Menschen, die glauben, dass sie klüger seien als alle anderen und die sich gerne über die „Dummen“ lustig machen, die auf die ewig gleichen, platten, unhaltbaren Versprechen unserer Politiker hereinfallen. Wir werden manipuliert, und zwar vermutlich sogar in dem guten Glauben, dass dies zu unserem eigenen Besten geschieht.
Deswegen ist unsere Welt auch so schön einfach und klar strukturiert aufgebaut. Es gibt „die Guten“ (beispielsweise den Westen, also uns, und gewisse Konzerne und Organisationen) und „die Bösen“ (etwa den Iran, Nordkorea, aber auch wieder gewisse Konzerne und Organisationen). Was aber, wenn dieses wunderbare Weltbild, an dem wir uns gut festhalten und abstützen können, gar nicht so mühelos und unproblematisch ist? Wenn wir bloß einem genial inszenierten PR-Coup aufsitzen, der uns nach dem Motto „Weitermachen, hier gibt es nichts zu sehen“ beruhigen soll?
Wenn Nordkorea beispielsweise gar nicht die unerträgliche Hölle auf Erden wäre, wie wir glauben? Wenn es dort zwar keine iPhones und McDonalds gibt, aber eine nichtsdestotrotz funktionierende, halbwegs zufriedene Gesellschaft? Und uns der Glaube an das zurückgebliebene, unmenschliche Nordkorea nur eingepflanzt wurde?
Nur um das klar zu stellen: Ich glaube mitnichten, dass Nordkorea das sozialistische Paradies ist; ich glaube, dass die Menschen dort hungern müssen und ausgebeutet werden, während sich ein paar eklige Eliten mit teuer importierten Süßigkeiten die Bäuche vollschlagen. Ich behaupte gar nicht, dass alles, was wir über Nordkorea wissen, eine Illusion ist – das arme Ländchen muss nur als Beispiel herhalten. In der Tradition der besten Verschwörungstheoretiker geht es mir bloß darum, eine Frage aufzuwerfen: Was wäre, wenn? Was wäre, wenn alles, was wir über Nordkorea zu wissen glauben, eine wohl inszenierte Lüge ist?
Das wäre – wie es bei solch wunderbar zurecht gelegten Beispielen immer der Fall ist – am Exempel Nordkoreas sogar ziemlich einfach, denn das Land ist recht gut abgeschottet: Ein paar Agenten, die als „Journalisten“ durch das Land reisen und wieder daheim angekommen die unerträglichen Zustände beschreiben. Ein paar Schauspieler, die als „Flüchtlinge“ unter Tränen von unmenschlichen Arbeitslagern und Hungersnöten wie im Mittelalter erzählen. Fertig ist das fremdgesteuerte Weltbild; und eine ganze Generation hasst Nordkorea.
„Unmöglich“, wird jetzt der geneigte Leser rufen, „unmöglich, wir sind ja aufgeklärt, wir haben unabhängige Medien, wir haben Fernsehen und Radio und Bücher und Zeitungen. Niemand würde mit so einem wackligen Lügenkonstrukt durchkommen!“ Wahrscheinlich hat der geneigte Leser sogar recht.
Einwenden möchten ich aber: Das allen hatten wir auch vor dreißig oder fünfzig Jahren schon, und da standen wir vor einer ganz ähnlichen Situation: Im kalten Krieg war das Weltbild sogar noch einfacher als jetzt. Es gab den guten Westen, der in ständiger Angst vor dem bösen Osten zitterte, und dauernd mit der unverständlichen, grausamen, menschenverachtenden Willkür der verrückten Sowjet-Führer leben musste. Jeden Tag mussten wir ehrlichen Westler uns vor den fremden Panzern und Atombomben fürchten, die uns ohne Mitleid beim kleinsten Zeichen von Schwäche auslöschen würden.
Dass schöne an zumindest dieser Geschichte ist, dass wir mittlerweile wissen, dass das alles eine klassische Propaganda-Lüge war. Wir, der Westen, waren mitnichten die Guten, im besten Fall waren wir genau so wenig gut wie die andere Seite. Deren Bevölkerung im Übrigen genau so belogen wurde und sich ständig vor der unaufhaltsamen Geldgier des kapitalistisch-imperialistischen Westen ängstigen musste. Wie es wirklich war? Schwer zu sagen; eines meines Lieblingszitate, „die Geschichte wird immer vom Sieger geschrieben“, passt auch hier und verzerrt das Bild.
Ich glaube also nicht an das Argument, dass uns das nicht wieder passieren kann und wir als moderne, aufgeklärte Gesellschaft über solchen Manipulationsversuchen stehen – zu oft hat die Geschichte das Gegenteil bewiesen. Wie spricht wohl die syrische Bevölkerung über den eigenen Bürgerkrieg? Sehen die Menschen in Damaskus die Rebellen als Befreier vor einem teuflischen Regime oder eher als brutale Terroristen? Teilen sie unser ach so klares Weltbild von den „guten Rebellen“ und dem „bösen, machthungrigen Assad“? Wenn nicht, ist ihr Bild von Welt vielleicht manipuliert? Oder unseres? Oder beide?
Eigentlich möchte ich nur die Frage „Was wäre, wenn?“ stellen und ein bisschen zum Grübeln auffordern. Und vorher unbedingt zum Lesen oder Hören über Edward Bernays und den anderen Meistern der PR anregen. Das führt nämlich automatisch zum Nachdenken.
Zwar wurde mir vor Jahren von einer psychologischen Fachkraft bestätigt, dass ich „eigentlich eh ganz normal“ wäre, aber mit wachsendem Alter bin ich mir nicht mehr so sicher, ob diese professionelle Diagnose nicht schon ihre Gültigkeit verloren hat ((Was im Übrigen nicht zuletzt von vielen geneigten Leserinnen und Lesern bestätigt wird, geht man nach so manchem Kommentar auf meine Beiträge.)).
Man nehme als Beispiel meiner zunehmenden geistigen Umnachtung nur die wunderbaren „Nimm mehr“ Aktionen beim lokalen Merkur ((Lieber Merkur, wenn du dies liest, bitte ich um Kontaktaufnahme bezüglich finanzieller Abgeltung dieser Produktplatzierung.)), die ich gerne und regelmäßig in Anspruch nehme. Ist ja auch toll, wenn man statt einem mickrigen Sackerl Gummibärchen um 1,49 € gleich zwei um 2,38 € bekommt – eine knackige Ersparnis von etwa 20 Prozent pro Sackerl! Und Gummizeugs kann man ja nun wirklich nie genug haben.
So weit, so normal. Kommt es aber nun mal vor, dass ich partout nur ein Stück eines dergestalt aktionierten Produkts benötige (Nagelscheren zum Beispiel brauche ich fast nie, oder Präservative), dann führt mich die „Nimm mehr“ Aktion direkt in ein Dilemma:
Denn erwerbe ich nur ein Stück jenes Produkts, dann geht mir die Aktion durch die Lappen. Nehme ich aber mehrere, dann verschwende ich unnützerweiseGeld. Was also tun?
Vernünftige Gedanken wie „In zwei Tagen ist die Aktion vorbei, und alles ist wieder beim Alten. Nimm dir also jetzt eines davon, du verdammter Idiot, das kostet jetzt genau das selbe wie in zwei Tagen und wie vor zwei Tagen. Dir geht nichts durch die Lappen, und du zahlst nicht mehr, du Depp.“ haben in solchen angespannten, adrenalingepeitschen Situationen natürlich nichts verloren.
Minutenlang wäge ich dann Für und Wider ab: Lieber nur eines davon nehmen, und dafür nicht von der Aktion profitieren? Undenkbar, das ist ja wie Geld auf der Straße liegen zu lassen! Oder doch zwei kaufen, wovon dann eines niemals gebraucht werden wird? Was tun damit? Wegwerfen? Verschenken? Stützt das dann vielleicht besonders den Konsum und die Wirtschaft, gibt es gar eine Bundesförderung dafür? Oder lieber gleich alles aufkaufen, einen blühenden Handel mit Südwestostnamibia aufziehen, und den dortigen Markt mit billigen Nagelscheren überfluten?
Meistens kaufe ich dann aber einfach das danebenliegende Konkurrenzprodukt ohne Aktion. Das ist besser für mein kleines Gehirn.
Ein höchst geschätzter Leser berichtet von einem heiklen Problem, das auch ich noch aus einer früheren Wohnsituation zur Genüge kenne: Seine Nachbarin ist beim Koitus derart geräuschvoll, dass an eine Nachtruhe nicht zu denken ist, schon gar nicht an eine gesegnete.
Verschärft wird des Lesers unangenehme Situation noch dadurch, dass sich erwähnte Nachbarin über Monate hinweg derart oft zu allen möglichen und unmöglichen Tageszeiten dem Lustspiele verschreibt, dass tatsächlich schon von daraus resultierendem Schlafmangel gesprochen werden kann. Dabei ist nicht nur die Dame volltönend ((Interessanterweise aber nur diese, von dem oder den vermutlich ebenfalls involvierten Herren ist kaum etwas zu hören)), sondern auch Möbelstücke werden hörbar in Mitleidenschaft gezogen.
Gemeinsam haben wir in Form eines Teams an hochqualifizierten Fachleuten in der Bar unseres Vertrauens an einer Lösung für diese vertrackte Situation gefeilt: So ist zwar die Wohnung der Unruhestifterin bekannt, nicht jedoch sie selbst. Eine persönliche Aussprache kommt von vornherein ob des für beide Seiten höchst unangenehmen Themas nicht in Frage.
Wir haben uns schlussendlich für einen höflichen Brief entschieden, der handschriftlich verfasst und im Briefkasten oder direkt an der Wohnungstüre hinterlegt werden muss.
Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, haben viele unschuldige Personen mit einer ähnlichen Störung der trauten Ruhe zu kämpfen. Aus diesem Grunde folgt hiermit die Veröffentlichung dieses Briefes als Vordruck zur geneigten Weiterverwendung:
Liebe Frau X ((Hier den Namen von der Wohnungstür übernehmen)),
Sie sind im Prinzip eine sehr angenehme Nachbarin.
Es gibt da nur eine Sache, die ihren Schatten auf unsere ansonsten perfekte Nachbarschaft wirft: Zu bestimmten Nachtzeiten – vornehmlich wenn ich versuche einzuschlafen – steigt vorübergehend der Lärmpegel deutlich an.
Aus der Geräuschkulisse schließe ich, dass sie sich hauptsächlich im Schlafzimmer abspielt, auch Rücken und Rütteln von Möbelstücken scheint involviert.
Das ist einerseits zwar äußerst beneidenswert, andererseits aber meinem Erholungsschlaf sehr abträglich.
Im Sinne einer weiterhin guten Nachbarschaft bitte ich Sie, die abendliche Geräuschentwicklung einzuschränken. Vielleicht können Sie ja auch mit ein paar Filzbodengleitern ((Dem Brief einige Filzis beilegen, um einerseits guten Willen und Commitment zu demonstrieren, und andererseits gleich im Kampf gegen die Möbelgeräusche zu unterstützen.)) etwas anfangen?
Ich hoffe, Sie haben Verständnis, und ich bedanke mich im Voraus.
Zugegebenermaßen eine etwas reißerische Überschrift, aber wie jeder gute Aufdeckungsjournalist halte ich mich strikt an harten, unleugbaren Fakten. Auch wenn sie noch so unglaublich und -erbittlich sind:
Sehr zur Amusement meiner stets recht leicht zu erheiternden Arbeitskollegen konnte ich letzte Woche eine skandalöse, ja geradezu teuflische Verfälschung meines Facebook-Profils entdecken.
Verwendet man Facebook auf Englisch (US), dann ist alles gut und man wiegt sich in Sicherheit:
Hat man aber Deutsch als Sprache gewählt, dann kommt es ohne mein Wissen oder Zutun zu einer schändlichen Abänderung meiner Profildaten:
Facebook wurde bereits vorgestern über diese menschenverachtende, barbarische, viehische Vergewaltigung meines Profils informiert. Bis dato warte ich noch auf die offizielle Entschuldigung von Mark Zuckerberg, es kann sich aber nur mehr um Stunden handeln, vermutlich sitzt er schon im Flieger.
Zweifellos wurde auf diese Weise nicht nur mir aufs brutalste Gewalt angetan, sondern Tausenden, ja vielleicht sogar Millionen unwissenden, nichtsahnenden, unschuldigen Facebook-Benutzerinnen und Benutzern. Wundert es angesichts dieser bestialischen Fakten noch, dass die Straßen und Plätze Istanbuls vor Demonstranten überquellen?